Der Modemaler und die Kunstwelt seiner Zeit


     Wir schauen zu unterschiedlichen Zeiten um
     unterschiedlicher Dinge willen auf Bilder des
     17. Jahrhunderts. Wir tragen an sie unsere
     eigenen Vorstellungen von dem heran, was ein Bild
     leisten sollte. Diese Vorstellungen entspringen
     unseren Bedürfnissen, unserer Erziehung, unserem
     kulturellen Hintergrund oder vielleicht auch nur
     unseren Vorstellungen von unserem Hintergrund.
     Wouwermans Zeitgenossen sahen seine Bilder
     anders als wir. Sie fanden in ihnen ihre Welt, bzw.
     ihre Vorstellungen von ihrer Welt gespiegelt.
  
     Seine Kunst ist aus diesem Grund nur zu einem Teil
     durch einen formalistischen Ansatz und durch die
     Einflüsse von Vorbildern und Kollegen zu erklären.
     Das thematische, formale und stilistische Was oder
     Warum spielt eine ebenso große Rolle wie das bild-

und stilimmanente Wie. Um den Anteil äußerer Faktoren an der konkreten Bildfindung zu verstehen, müssen diese vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Kunstszene und Geschmacks untersucht und interpretiert werden. (...)

Produktion für den freien Kunstmarkt


Jeder Maler, der für den freien Kunstmarkt arbeitete, musste der Wohnsituation seiner Mitbürger bei seiner Gemäldeproduktion Rechnung tragen. Den weitaus größten Teil seiner Bilder malte Wouwerman genau für diesen freien Markt. So schuf er in seiner frühen Phase überwiegend Bilder kleineren und mittelgroßen Formats mit unprätentiösen Sujets, zurückhaltender Farbigkeit und wenigen, kräftigen Lokalfarben. Diese durchgehend nahansichtigen Werke passten in den zeitgenössischen Sammelkontext und konnten sich problemlos den Platz in den Räumen der schmalen Haarlemer Häuser mit anderen Bildern teilen. Mit ihrer detaillierten Malweise, vielen anekdotenhaften Begebenheiten und humoristischen Szenen waren sie ausgesprochene Kabinettbilder, die von ihren Besitzern aus der Nähe betrachtet und auch in die Hand genommen werden konnten.

Bereits früh entwickelte Wouwerman eine Vielzahl von Sujets und spezialisierte sich nicht nur in einem Genre. Bei lediglich ca. 700-800 sammelnden Haushalten und der enormen Konkurrenz war der Kunstmarkt in Haarlem vermutlich schnell erschöpft. Um Interesse und Aufmerksamkeit der potenziellen Käufer lebendig zu halten und Kundenbindung zu generieren, bot Wouwerman immer wieder neue und unterschiedliche Themen an. (...) Wouwerman schuf manche Sujets nur ein oder wenige Male, etwa die Marineszenen, als ob er testen wollte, was beim Publikum ankam und was nicht. Gleichzeitig durften seine Bilder aber nicht beliebig in dem Sinne werden, dass sie nicht mehr als typisch galten. Daher ähneln sich die Kompositionen der jeweiligen Sujets durch vielfache Abwandlungen einiger formaler Grundelemente. Neben seinem Markenzeichen Schimmel, bzw. Pferd, sorgten diese Variationen für einen guten Wiedererkennungseffekt.  (...)

Bei der überwiegenden Anzahl seiner frühen Bilder handelte es sich also nicht um repräsentative Schaustücke. Dies änderte sich gegen Ende der 1640er Jahre, und es liegt nahe, den Anstoß hierzu in Änderungen des gesellschaftlichen Umfelds zu suchen. Zu dieser Zeit wandelte sich der bisherige Sammelkontext durch die zunehmende Funktionstrennung der Räume in einem Haus in private Wohn- und repräsentative Schauräume. Nicht in Sujet und Farbigkeit zurückhaltende kleine Kabinettbilder, sondern repräsentative Werke größeren Formats waren nun gefragt. Diese legten in den Empfangsräumen der Häuser Zeugnis ab vom sozialen Status der Besitzer. Wouwerman reagierte auf diese Entwicklung mit einer Änderung und Ausweitung seiner Bildproduktion. (...)


Auszug aus Kapitel 4